Konzepte für den Unterricht in Biologie und Chemie – Holberg

Neurobiologische Erkenntnisse 1

"Der Geist ist kein Schiff, das man beladen kann, sondern ein Feuer, das man entfachen muss."

- Plutarch, griechischer Historiker -

Menschen lernen besser, wenn sie mit Freude lernen. Positive Emotionen sind nicht lediglich unwichtige Begleiterscheinungen. Sie bewirken, dass Schüler beharrlich bei einem Thema bleiben und ziehen "kognitive Stile" nach sich.

Im "Angstmodus" steht das Gehirn unter dem besonderen Einfluss des Mandelkerns, eines zum limbischen System gezählten Hirnteils.
Dessen Aktivität begünstigt einen eingeengten kognitiven Stil, der ausschließlich darauf ausgerichtet ist, den Quellen der Angst zu entkommen.
Kreativität und freies Denken sind stark behindert, da das Gehirn sich möglichst an die simpelsten, irgendwie funktionierenden Schemata hält.

Angst ist ein schlechter Lehrmeister

Wer mit Angst lernt, prägt sich mit den geübten Inhalten auch die unangenehmen Gefühle ein. Sie veranlassen den Menschen, in Zukunft diesen Dingen eher aus dem Weg zu gehen, als sich wieder mit ihnen zu konfrontieren.

Doch Unterricht darf nicht allein Spaß machen. Der Chemielehrer, der Knalleffekte und verblüffende Farbspiele inszeniert, unterhält seine Schüler. Wenn diese sich einerseits an der Zauberei des Lehrers erfreuen, andererseits aber langweilig finden, was dabei molekular geschieht, hat er verloren.
Freude haben beim Lernen ist eben nicht zu verwechseln mit dem bloßen Begriff Spaß. Den Grips anzustrengen, über Hindernisse und Irrtümer hinweg ein Problem zu lösen, ist zunächst mühsam, doch aus der Leistung selbst und der gewonnenen Einsicht können Selbstvertrauen und tiefe Befriedigung erwachsen - und die Lust auf weitere Herausforderungen.
Vor allem für die Chemie gilt, entspannt und spielerisch in dem Fach experimentieren zu können, ermöglicht später den kreativen Umgang mit dem Wissen.
Wer dagegen unter Angst lernt, bekommt vielleicht schon Bauchschmerzen, wenn er nur eine chemische Formel sieht.

Nerven in der Großhirnrinde bilden Teilnetzwerke (neuronale Assemblys), deren Zündung die Aktivierung der ihnen entsprechenden Information bedeutet.
Bei wiederholtem Lernen - bei wiederholtem Zünden - verstärken sich die Nervenverbindungen und lassen sich immer leichter aktivieren.
Assemblys können sich weitläufig zu größeren Einheiten verbinden. Solch synaptisches Lernen ist langsam und lebt von der Wiederholung. Dabei gilt allerdings:

Stumpfsinn ist der Hauptfeind des Lernens

Mehr Erfolg verspricht, das Gehirn stets auf etwas andere Weise anzuregen, ihm durch variierende Aufgaben und andere Herangehensweisen immer wieder neuen Anlass zur Auseinandersetzung mit dem Thema zu geben.
Sinnessignale können nur dann strukturierend auf die Hirnentwicklung Einfluss nehmen, wenn sie eine Folge von Interaktionen mit der Umwelt sind.

Noch vor kaum einem Jahrhundert waren die meisten Psychologen und Hirnforscher überzeugt, unsere Geistestätigkeit geschehe vor allem bewusst.
Dies war, so viel ist heute klar, ein Irrtum. Der Neurobiologe Spitzer stellt fest: "Fast alles was wir gelernt haben, wissen wir nicht. Aber wir können es." Wir können die Schuhbänder binden, ohne im Einzelnen zu wissen, wie wir das im Einzelnen machen . . . . . ."

"Gehirne bilden sich zwar einerseits an Beispielen", sagt Spitzer, "vergessen aber andererseits meist die Einzelfälle und merken sich allgemeine Eigenschaften und Regeln. Was die letzteren betrifft, so nutzt es in vielen Gebieten so gut wie nichts oder kann sogar schaden, stumpfsinnig Regeln auswendig zu lernen.

"Kinder brauchen vor allem gut ausgewählte Beispiele.

Auf die Regeln kommen sie von selbst."

Aus solchen Erkenntnissen lässt sich als zentrale Forderung an die Pädagogik ableiten, das implizite Lernen als mächtige, vielleicht mächtigste Formungskraft des Gehirns wesentlich ernster als bisher zu nehmen.

Wissenschaftler haben Hirnareale gut untersucht, die von den Sinnesorganen beeinflusst werden.
Im körpersensorischen Kortex ist der Körper mehrfach in "somatotopischen" Karten abgebildet. Bei Musikern ist die akustische Karte für Töne 25 % größer als bei Nichtmusikern. Allein für das Sehen sind dutzende von Karten bekannt.
Im gesamten Kortex dürfte es Hunderte von Karten geben. Diese miteinander vernetzten Repräsentationsebenen interagieren und bringen so beispielsweise unsere Wahrnehmungen und wohl überhaupt die zusammenhängenden "Gestalten" des mentalen Lebens zusammen.

Jede einzelne Karte fungiert dabei als eine Sinnsuche - und Sinnkonstruktionsmaschine und stellt die im jeweiligen Gesamtkontext plausibelste Interpretation bereit.

Wenn das Gehirn Lernstoff auf mehreren Kanälen präsentiert bekommt,

versteht und behält es die Inhalte besser.

Die Fähigkeit, quasi beliebige Informationen zu verknüpfen, zeichnet den menschlichen Geist aus, aber ebenso die Fähigkeit, die Fülle zu bändigen und in sinnvolle Bahnen zu lenken.

Der Hippocampus ist eine für das Lernen besonders wichtige Struktur am unteren Rand der Hirnrinde. Er sorgt dafür, dass wir nur das lernen, was interessant ist.
Einzelfakten attraktiv zu präsentieren oder in Form eines Rätsels finden zu lassen, sei deshalb ein guter Ratschlag fürs Lernen.
"Geschichten und Zusammenhänge treiben uns um, nicht Fakten", meint der Psychiater.

Nackte Fakten zu büffeln ist höchst ineffektiv und oft verlorene Zeit.

Fakten sollen in einem Kontext stehen, der den Schüler bewegt und interessiert.

Dann werden sie vielleicht auch über den Prüfungstermin hinaus behalten.

Es ist eine Binsenweisheit: Wer aufpasst und sich konzentriert, lernt bekanntlich besser.

Mittlerweile hat eine Reihe von Studien Hinweise geliefert, dass und wie selektive Aufmerksamkeit das Lernen fördert.

Nerobiologen aus dem Forscherteam um Michael Mezenich von der University of California in San Francisco trainierten Affen, geringe Frequenzunterschiede eines Plättchens, das z.B. mit 20 oder 22 Hertz schwang, mit einem Finger auseinander zu halten.
Jedes Mal, wenn die Tiere die schwierige Aufgabe lösten, bekamen sie zur Belohnung Fruchtsaft und wurden so immer besser. Das Training schlug sich deutlich im Kortex nieder: Die sensorischen Tast - Areale für die geübten Finger vergrößerten sich.

Eine zweite Gruppe von Affen musste das Metallplättchen ebenso lange mit dem gleichen Finger berühren. Diese Tiere bekamen jedoch keine Aufgabe und keine Belohnung. Der sensorische Kortex für die fraglichen Finger blieb bei ihnen unverändert.

Also nicht das Bombardement mit sensorischen Reizen ließ die Kortexareale wachsen, sondern dass die Affen aufmerksam versuchten, die Wahrnehmung zu differenzieren.
Die didaktische Konsequenz scheint klar:

Infotainment hinterlässt kaum dauerhafte Spuren.

Es ist die aufmerksame Beschäftigung, welche nachhaltiges Lernen ermöglicht.

Sich in ein Thema zu vertiefen, kann schon Lernen bedeuten. Es muss allerdings initiiert werden.

Neurobiologische Erkenntnisse führen in Variationen immer stets zu den gleichen Schlussfolgerungen:

Chemiekonzept Pro / Pro Klippert

Lernen zeichnet sich nach Klippert vor allem aus durch:

Im erweiterten Lernbegriff sollten folgende Lernaspekte zum Tragen kommen:



Eine Prämisse greift alle genannten Punkte:

"Was der Schüler nicht selbst erwirkt oder erarbeitet hat, das ist er nicht und das hat er nicht."

- Diesterweg -

Das vorliegende Chemiekonzept bietet neben Unterrichtsmaterial für handlungsorientierten Unterricht auch Methodiken an, wie das Unterrichtsmaterial verwendet werden kann.



Das Chemiekonzept Pro bietet mit Hinweisen zur Unterrichtsgestaltung an, dass man die Schüler einmal Fakten erfolgreich lernen lässt und ihnen außerdem die Aneignung von Fähigkeiten und Fertigkeiten möglich macht.

Die Wahrnehmung der vorgeschlagenen Unterrichtsgestaltung erleichtert des Weiteren die Bewältigung der Lehrerrolle. Der Lehrer befindet sich dabei nicht im Zentrum des nervlich belastenden lehrerzentrierten Unterrichts, er moderiert unterschiedliche Schüleraktivitäten.

1Aus GEO - 10 / 2004: Was das Gehirn neugierig macht